Briefwechsel Johann Carl Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Carl (1690-1731)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 27. September 1727
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 146r-v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler u. Hochgelahrter,
   Hochgeehrtester Herr,
     Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. gedachte mit dieser begonnenen Leipziger Meße Gelegenheit meinen geflissensten respect zu bezeugen, mit beyfügung desjenigen noch schuldigsten Danckes, der Ihnen sowohl wegen der mir durch die Enderischen[1] ertheilte nachricht von der ehmaligen fatalität des alles Glückes würdigen Hof Rath Stahls,[2] als doch schon längst her aus diesem Grunde hätte abstatten sollen, da Ew. HochEdl. Dero hochgeneigtes Votum bey dem hohen Directorio der Hochlöbl. Königl. Societaet der Wissenschaften mir nicht entgegen setzen wollen, daß mir durch Aufnehmung in selbige eine Ehre wiederfahren,[3] die mir um so weniger vermuthet hätte, als unverdient mich dazu erkenne, gleich wie mich aber nun desto eifriger zu bewerben habe, wie dieses letztere künftig einiger massen heißen möge: so werde nichts verabsäumen alle Mittel auf zu tuhen, die mir hiezu beförderlich seyn können; daher denn von Ew. HochEdl. in sonderheit mir die angenehme Anleitung, und Dero holdeste Correction ausbitte, wo ich irre. Sie geruhen den Anfang bey den gegenwärtigen wenigen Observationen zu machen, die seit meines Seel. Bruders Tod der zu selbiger Zeit meist trübe Himmel, und die Situation meiner Wohnung vergönnte.[4] Nach dem sich aber selbiger einige Wochen her gütiger anließ, habe ich nicht ermangelt, auf dieses, was

[Bl. 146v]
sich so fort ässerte, Achtung zu geben. Es war solches absonderlich die ☌ ♀ ☽ den 21 Jul. abends,[5] welche sich hier um viel früher zugetragen, als man vermeinte; maßen sie schon um halb 8, da mir beyde zum ersten mahl aus dem Gewölcke hervor kamen, mercklich vorbey gewesen. Zwischen den 23 u. 24 Aug. als ich den ♄ betrachten wolte, tref ich zugleich ein Sternchen zwischen ihm und θ ♑ an, welches sich mit ihm conjugirte, dergl. θ ♑ selbst den 29 oder 30sten wohl wird gethan haben. Vom 25 zum 28 Aug ist mir die schöne ☌ ♀ und Spicae ♍ bestens zu theil geworden: und dürffte die Spica den 27. nach dem Untergange leicht gar bedeckt worden seyn,[6] wie zu meinem Vergnügen den 7 Sept. früh mit dem Plejadibus beym ☽ geschehen,[7] von denen ich D E F G nach Ew. HochEdl. Berlinischen Calender[8] immergiren, auch alle dreye und noch G wiederum emergieren sahe, welches letzere die Occulation seiner Kleine wegen, am hellen ☽ Rand durch meinen ohnerachtet sehr guten 6 schuhigen Tubum, den ich der Commodite halben bey so hohem Stande der Siderum brauchen muste, nicht recht abnehmen ließ. Er ist meines Erachtens gar nicht verborgen worden; wenigstens konte ich es nicht gewahr werden. Kurz vor Mitternacht zuvor notirte ich eine Immersionem intimi Satellites ♃is. Ich war bisher wegen vieler Hindernißen nicht im Stand, diese observata zu berechnen und in Ordnung zu bringen, doch hoffe ehstens dazu zu gelangen. Das beste ist, daß lauter heitere Tage waren, damit ich das pendulum aus den Vor und Nachmittagischen ☉Höhen corrigiren kan, wozu ich die von Ew. HochEdl. im Christen, Jüden und Türcken Calender[9] gütigst communicirte Tabelle anwende. Sie haben daselbst auf dem folgenden Blate die Pariser Lineam Meridianam beschrieben, wozu sonst auf dem Observatorio allda geknüpfte Roßhaare genommen wurden. Herr de l'Isle[10] bedeutete mir mit eigener Hand auf einer gemachten Zeichnung den Diameter des Löchleins A, den 1000ten Theil von der Höhe AB. Ich halte zwar nicht, daß es was verschlage, ob sichs nach AB oder AF richtet. Ich meines Orts verlaße mich auf Ew. HochEdl. beliebte Anweisung, der ich nebst Anwünschung alles ferneren glüclichen Wohlergehens zu Dero beharrlichen Gewogenheit mich empfehle, als

Ew. HochEdl.
Meines Hochgeehrtesten Herrn,
u. Hochgeschätzten Gönners.

Nürnberg den 27 Septbr.
1727

gantz ergebenster diener

J C Rost. Dr.


Beilage
Astronomische Beobachtungen von Dezember 1726 bis April 1727


Fußnoten

  1. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  2. Welche "fatalität" den Mediziner Ernst Georg Stahl (1659-1734) betroffen hat, ist nicht bekannt.
  3. Am 17. Juli 1727 war Rost als auswärtiges Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden.
  4. Siehe die Beilagen zu diesem Brief.
  5. Am 21. Juli 1727 hatten die Scheiben von Mond und Venus einen Abstand von weniger als einem halben Grad.
  6. Am 27. August 1727 hatte Spica einen Abstand von weniger als drei Bogensekunden von der Venus.
  7. Am 7. September 1727 wurden Teile der Plejaden vom Mond bedeckt.
  8. Seit 1702 gab Gottfried Kirch den Astronomischen Kalender heraus, der von seinem Sohn fortgesetzt wurde. Vgl. den Eintrag zu Gottfried Kirch im Biobiliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750.
  9. Dieser Kalender war seit 1667 vom Vater Gottfried Kirch herausgegeben worden und wurde nach dessen Tod vom Sohn Christfried Kirch weiter geführt. Vgl. den Eintrag zu Gottfried Kirch im Biobiliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750.
  10. Rost hatte mit Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) bei dessen Nürnberger Aufenthalt Ende 1725 persönlichen Kontakt gehabt. Delisle befand sich auf der Durchreise Richtung Petersburg. Im Brief vom 23. April 1727 berichte Johann Carl, dass sein Bruder kurz vor seinem Tod am 22. März 1727 den ersten Brief von Delisle aus Petersburg erhielt.