Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 21. Dezember 1724
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 125r-126v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler, Vest und Hochgelahrter,
  Hochgeehrtester Herr
   Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. dancke ich schönstens, vor die überschickten 6 Loht Pillen,[1] dafür ich hier sogleich die Bezahlung geleistet, und bitte ich derselben bei Gelegenheit ferner eingedenck zu bleiben, weil mein Bruder in seiner Praxi medica sich ihrer öfter mit großem Gedeihen bedienet. Ich bin auch vor die Communication der observierten Eclipsis Solis obligiret,[2] davon ich die eine Abschrift dem Hl. von Wurzelbau zugestellt, der Ew. HochEdl. bey seiner stets kräncklichen Leibes Disposition, sich bestens empfehlen, und excusiren läst, daß er aus angesagter Ursache, nicht selber einige Zeilen an Sie ausfertigen kan. Die neuliche Eclipsin Lunae[3] betreffend, habe ich sie zwar gantz alleine, weil der Hl. von Wurzelbau eben krank war, in meinem Hauße observiret, allein der Himmel war stets, völlig mit durchscheinenden Wolcken bedeckt, drum war es auch nicht möglich, die Observation in gehöriger Richtigkeit anzustellen, wie Ew. HochEdl. als ein erfahrener Practicus, am besten urtheilen können.[4] Inzwischen correspondirte die observation mit dem Calculo ex Tabb. de la Hire[5] gar gut. Diese gaben das Initium h. 3. 10. 25 Medium 4. 26. 19. Finem 5. 42. 13. Quant. 6. 5d. temp. vero. Norib. die Observation aber den Anfang h. 3. 10. 0 das Mittel h. 4. 25. 1. das Ende h. 5. 40. 2 u: die Größe 7 d. 21. Diamet. ☽ appar. 34.' 9'' et umbrae terrae 49.' 4.''. Beyde letztere, scheinen mir zu groß zu seyn: allein der wolckigte unreine Himmel, hat kein beßeres Maas verstattet. Ich attendirete bey meiner Observation, ein besonderes Phäenomen: loca phases crescentes et de=

[Bl. 125v]
crescentes sahe ich im Tubo zur rechten Hand, daß umbra vera, von dem Stagno Miris[6] an biß ad montem Alabastrinum[7], in der Breite der Insulae Cercinnae[8] doch nach und nach schmähler oder zugespitzt, wie ein Triangulum Sphaericum viel heller als der übrige Theil des umbrae, mitten im Monde war. Eben dergl. beobachtete ich zur lincken Hand wo Palus Moeotis[9] stehet, biß hinunter ad lacum hyperboreum superiorem[10]: doch war allda diese Helligkeit, kaum den dritten Theil so breit, als wie zur rechten Hand, und auch zugespitzet. Als die Eclipsin vorbey war, beobachete ich wol, daß die Gegend des Mondes zur rechten viel heller leuchtete, als in der Mitte, allein zur lincken Hand, fand ich solches nicht, und findet also die Erklärung dieses Phaenomeni nicht allerdings statt, da ich mir eingebildet, die Helligkeit des Halbschattens, hätte ihren Ursprung von dem daselbisten hellen Monds Lichte genommen, das durch den Schatten geschienen, zu dem gibt es mehr heller Orter im Monde, die jedoch gleichwol sich durch den Schatten nicht distinguirten, mus also eine andere Causa Physica oder Optica dahinter stecken. Ob Ew. HochEdl. dergleichen dißmal oder zur andern Zeit bey Eclipsibus attendiret, das bin ich begierig zu vernehmen, und zu gleich dero Gedancken darüber anzuhören. Indeßen hat einer meiner guten freunde,[11] der bey dem Hl. P. Doppelmaier auf dem observatorio male emendato[12] gewesen, diesen hellen Erdschatten auch bemercket, daß mich also keine Einbildung betrogen hat. Den 11 Nov. hielte ich etliche Observationes circa ☌ ☽ et ♀,[13] welche letztere ich dieses mal nudo oculo biß nach 2 Uhr Nachmittags, auch sonst öfter in ipso Meridie gesehen, und etlichs mal ihre culminationen aufgezeichnet. Ich observirte auch ohnlangst ☌ ♀ et γ ♍[14] u: einiger maßen d. 13 Nov. ☌ ☽ et ☿.[15] Aber alle diese observationes, sind noch nicht in das reine gebracht, sonst hätte ich sie überschicket, denn ich bin gegenwärtig sehr mit der hypochondrie geplaget, die mich zu dergl. Arbeit nicht viel sitzen und calculiren läßet. Die Observationem

[Bl. 126r]
Eclipseos ☽ novissimae, von Hl. P. Nicasio Grammatico zu Ingolstadt, werden Sie bald in den Actis Eruditorum antreffen,[16] dahin sie in expanso communiciret worden. Dieser Jesuit hat ohnlängst ein Exercitationem de Cometa Anni 1723. drey bogen gros mit mit einem Kupfer in quart ediret[17] und aus seinen Observationibus eben dasjenige eruiret, was Ew. HochEdl. gleichfalls getahn, da ich denn gesehen, daß er mit Ihrer deduction, fast in ipsis numeris zutrift. Er tuht in dieser Exercitatione demonstrative dar, daß der Comet 1723 eben derjenige gewesen, den man A.o 1707 vom 25 Nov. biß d 17 Jan. 1708 obervirt und prognosticiret, daß er A.0 1739 d. 3 Sept. sein Perigaeum wieder erreichen wird. Dabey zeiget er, daß die Theoria Cometarum Hevelii, nicht Stich halte und daß die Cometen corpora mundicaeum wären. Es hat mir dieses Scriptum, welches der Hl Auctor, mir durch Hl. Prof. Doppelmaier insinuiren lassen sehr wohl gefallen: ich will trachten, noch ein Exemplar zu überkommen, und es übersenden, wenn sie anderst nicht schon damit versehen seyn. Was macht doch wol der neue Herr Prof. Schütze[18] gutes? Ich laße mir doch gar abentheuerliche dinge von ihm erzehlen, wie accurat er in seinem Calculo bey der neulichen Eclipsi Solis gewesen, und was ihm in Leipzig mit dem Calculo ortus et occasus Lunae[19] begegnet, darinnen er sich von einem gewißen Manne, incognito hat unterrichten laßen, und Schultze heißen wollen. Was sagt doch um Gottes Willen die Societas darzu, wenn dergl. dinge kund werden, und was werden die Externi[20] raisoniren, wenn sie ihnen zu Ohren kommen? Der gute Mann solte meines Erachtens ein bißchen klüger und behutsamer handeln, damit er sich und seinen Herren Collegis keine ungleiche Urtheile zuziehet. Gott verzeihe es denjenigen, das sie causa sine qua non, und ex hoc ligno durchaus einen Mercurium machen wollen. Ich weis nicht, ob Ew. HochEdl. ich bereits den calculum eclipsium intimi

[Bl. 126v]
Jovis Satellitis ex Tabb. Poundiis[21] communicirt habe: dahero ich sie allenfalls hieher setzen will:[22]

1725. Temp. ver: Uraniburgi

        h    '   ''           h    '   ''  
Immersiones d.   4. Maji 15.   2.  4   Emersiones d. 23. Sept.   7. 28. 27  
  12. Jun. 13. 26. 31     28. Sept. 14. 55.  6  
  28. Jun. 11. 39. 50     30. Sept.  9. 24. 21  
    5. Jul. 13. 32. 12       7. Oct. 11. 21. 44  
  21. Jul. 11. 47. 29     9. Oct.  5. 50. 44  
  28. Jul. 13. 41. 47     14. Oct. 13. 18. 47  
    4. Aug. 15. 36. 19     16. Oct.  7. 47. 53  
    6. Aug. 10.  5. 14     23. Oct.  9. 44. 26  
  13. Aug. 12.  0. 33     30. Oct. 11. 40. 16  
  20. Aug. 13. 56. 56       1. Nov.  6.  9. 15  
  22. Aug.  8. 25. 37     15. Nov.  9. 58. 36  
  27. Aug. 15. 53. 17     22. Nov. 11. 52. 54  
  29. Aug. 10. 22. 22     24. Nov.  6. 21. 12  
Ermersiones.   5. Sep. 14. 33. 50       1. Dec.  8. 14. 14  
    7. Sept.  9.  3. 23       8. Dec. 10.  6. 42  
  12. Sept. 16. 30. 54     17. Dec.  6. 26. 47  
  14. Sept. 11.  0. 19     24. Dec.  8. 18. 50  
  21. Sept. 12. 57. 37     24. Dec.  8. 18. 50  

Im Übrigen gratuliere Ew. HochEdl. ich zum bevorstehenden neuen Jahr, Gott laße Sie derselben noch viele in guter Gesundheit und allem übrigen Wolergehen erleben: mich aber würdigen Sie ferner Ihrer Wolgewogenheit u: erlauben darneben, daß ich allezeit aus unverfälschtem Hertz bin

Ew. HochEdl.

Nürnberg.
den 21 Dec. 1724.

gantz ergebenster  
diener.   

Joh. Leonhard Rost.


Fußnoten

  1. Bereits im Brief vom 17. Oktober 1720 bat Rost Kirch um Zusendung von Pillen des renomierten Mediziners Georg Ernst Stahl (1659-1734). Dieses Thema taucht seitdem ständig in dem Briefwechsel zwischen Rost und Kirch auf.
  2. Am 22. Mai 1724 hatte es eine partielle Sonnenfinsternis gegeben, bei der die Sonne zu mehr als 94% bedeckt wurde. Zu den Beobachtungen von Rost und Wurzelbau vgl. den 28. Versuch der Breslauischen Sammlungen, erschienen 1725, S. 521f.
  3. Am 1. November 1724 gab es eine partielle Mondfinsternis.
  4. Beobachtungen Rosts zur Mondfinsternis vom 1. November finden sich in den Breslauischen Sammlungen (=Sammlung Von Natur-und Medicin-, Wie auch hierzu gehörigen Kunst-und Literatur-Geschichten), Versuch 30, Herbst-Quartal 1724, erschienen 1726, S. 502-504
  5. La Hire, Philippe de: Tabulae astronomicae. Paris: Michallet 1687.
    Rost benutzte wahrscheinlich die folgende Ausgabe.
    La Hire, Philippe de: Tabulae astronomicae Planetarum omnium. Ingolstadt: Grass 1722.
  6. "Stagno Miris" (Bezeichnung von Hevelius) entspricht heute etwa dem Mondkrater Riccioli (2,9o S; 74,37o W.
  7. Der "mons Albastrinus" (Bezeichnung von Hevelius) entspricht heute etwa dem Mondkrater Lichtenberg (31,83o N; 67,69o W).
  8. Die "Insula Circinna" (Bezeichnung von Hevelius) entspricht heute etwa dem Mondkrater Kepler.
  9. Das "Palus Moeotis" (Bezeichnung von Hevelius) gehört zum Kaspischen Meer, heute das Mare Fecunditatis.
  10. Der "Lacus Hyperboreus Superior" (Bezeichnung von Hevelius) entspricht heute dem Mondkrater Endymion.
  11. Vermutlich Johann Jacob Schübler.
  12. observatorio male emendato: das schlecht reparierte Observatorium.
  13. Rosts Beobachtungen der Konjunktion des Mondes mit der Venus vom 11. November 1724 finden sich in den Breslauischen Sammlungen (=Sammlung Von Natur-und Medicin-, Wie auch hierzu gehörigen Kunst-und Literatur-Geschichten), Versuch 30, Herbst-Quartal 1724, erschienen 1726, S. 613f.
  14. Rosts Beobachtungen der Konjunktion der Venus mit dem Stern γ der Jungfrau vom 14. November 1724 finden sich in den Breslauischen Sammlungen (=Sammlung Von Natur-und Medicin-, Wie auch hierzu gehörigen Kunst-und Literatur-Geschichten), Versuch 30, Herbst-Quartal 1724, erschienen 1726, S. 504-506
  15. Rosts Beobachtungen der Konjunktion des Mondes mit Merkur vom 14. November finden sich in den Breslauischen Sammlungen (=Sammlung Von Natur-und Medicin-, Wie auch hierzu gehörigen Kunst-und Literatur-Geschichten), Versuch 30, Herbst-Quartal 1724, erschienen 1726, 504-507f.
  16. Beobachtungen zu den Jupitersatelliten von Grammatici sind in der Abschrift überliefert, die Celsius bei seinem Aufenthalt in Nürnberg im Sommer 1733 aus den gesammelten Beobachtungen von Doppelmayr anfertigte, UB Uppsala: A 533 d, Bl. 104r, 123v, 126v. In den Acta Eruditorum von 1724 und 1725 wurden sie nicht veröffentlicht.
  17. Grammaticus, Nicasius (Präses); Schreier, Josef (Respondent): Exercitatio De Cometa Anni 1723. Ingolstadt: Grass 1724.
  18. Johann Georg Schütz (?-1730) wurde 1720 neben Kirch als Observator der Sozietät angestellt. Kirch sollte ihn einarbeiten. 1725 ging Schütz als Professor für Mathematik nach Frankfurt an der Order.
  19. Calculo ortus et occasum lunae: Berechnung des Auf- und Untergang des Mondes.
  20. Mit den Externi sind die Ausländer gemeint.
  21. James Pound (1669-1724) war ein englischer Geistlicher und Astronom. Seine neuen Tabellen finden sich in den Philosophical Transactions 30 (1717), S. 1021-1034
  22. Rost Tabellen finden sich auch in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen vom 22. Januar 1725, S. 70-72