Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 21. September 1719
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 53r-54r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter
  Hochgeehrtester Herr
   und Hochgeschätzter Gönner.

Ew. HochEdl. an mich ergangene 2 Schreiben vom 6 Maji und 1 Julii, sind mir wohl zu Handen kommen: allerhand vorgefallene Hindernißen und Verrichtungen aber, haben unmöglich erlaubet, daß ich eher darauf antworten können, dannenhero solche unterlaßene Schuldigkeit, nicht übel aufzunehmen bitte. Ich dancke zu vörderst vor die schöne Observationem Palilicii[1] und andere liebwehrteste communicata, die ich gerne mit etwas anständiges erwiederte, wenn ich mich nur vermögend darzu befände. Denn ich vor mich kan in praxi Astronomica wegen ermangelnder Gelegenheit nichts sonderliches tuhn, und mit schlechten, unvollkommenen Sachen, wird Ihnen kein dienst geschehen. Ich muß mich also vor einen beständigen Schuldner erkennen, und trachten, wie ich mit der Zeit einen Abtrag tuhn möge. Die letzte eclipsis, habe ich dem Herrn von Wurzelbau, von dem ich eine Begrüßung zu vermelden, so gut es der wolckigte Himmel erlaubt, observiren helfen. Den Anfang bedeckte eine Wolcke: ich habe ihn aber ex phasibus, um 7 H. 52 m. 31 s. deduciret. H. 8. 12. 5 tegebatur mons Porphyrites et H 9. 20. 20 iterum detegebatur. H 9. 05. autem Lacus niger major emergebat. Finis erat H 10. 18. 10 et quantitats eclipseos 5 Dig. 32.[2] Dieses sind die Haupt Stücke der Observation, das übrige werden Ew. HochEdl in den novis litterariis finden.[3] Hl. M. Gaupp[4] hat sie auch observiret, und die quantitatem 5. Dig. 29' per Micrometrum gemeßen. ich habe aber die Umstände der Observation, noch nicht empfangen, die ich auch noch von meinem Bruder und dem Hl P. Müller in Altdorf erwarte.[5] Ich habe neulich circa meridiem, mit dem Hl von Wurzelbau occult - s. transitum ☽ a Palilicio observiren wollen:[6] allein der unfreundliche Himmel hat solche curiosite ver-

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hindert. Daß in dem neuen Stern oder Cometen, wie hier die gemeinen Leute sprechen, h. e. in dem ♂ eine Macul zu sehn, wird Ew. HochEdl. nichts fremdes seyn.[7] Hingegen werden Sie vielleicht nicht wißen, daß der Auctor, von der miraculösen Erfindung der linea Meridianae, Herr Holtzhey in Ulm, wie man mir gesagt, nach Engelland berufen worden, um seine Invention kund zu machen.[8] Hl M. Gaupp Calendarium Astronomicum vor künftiges Jahr kommet aus Ermangelung eines Verlegers nicht zum Vorschein, künftige Neu Jahr Meße, wird sich die Ephemeris nebst dem Calendario auf 1721 im Druck zeigen, weil ich hier einen Verleger gefunden,[9] der sie beständig continuiren wird, wenn nur in etwas ein Abgang zu hoffen ist. Des Hl von Wurzelbau seine Tabulae Solis[10] sind bereits mercklich abgedruckt, und fehlt nur noch das Titel Kupfer, welches auch diese Woche im Stand seyn soll. So bald Ihro Majestät der Kaiser, das Dedicatons Exemplar empfangen, worzu Sie dem Hl Auctori die aller gnädigste Vergünstigung ertheilet, wird er das Werck public machen. Es sind aus besonderen Ursachen, nur 300 Exemplar gedrückt worden, welches etwan das Buch bald rar machen dürfte. Was Ew. HochEdl. von den Distantiis Hevelii gedacht, begehre ich nicht zu wiedersprechen. Denn ich habe in seinem Catalogo fixarum, unterschiedliche Sterne selbsten suspect gefunden, also daß ich nicht weis ob es Druck= oder andre Fehler seyn. Ich will indeßen meine Grillen propter usum micrometri, in etwas außen laßen, biß ich mehr Zeit und Gelegenheit zur Untersuchung kriege.[11] Ich mag aber recht oder unrecht haben, so bleibt das micrometron, doch allezeit etwas gutes, biß man etwas vollständigers aussinnet. Hl. M. Gaupp hat Ew. HochEdl. Meinung davon, nicht uneben gefallen, und ist er itzt auf ein Micrometron ohne Schrauben gerathen, auch Ihm dadurch eine besonder Invention zur Observierung der ☽ Finsternißen und appuls. ☽ ad * aufgestoßen, die er mir künftig zu communiciren versprochen, und davon Ew. HochEdl. hernach auch part geben werde. So wohl ich, als der Hl von Wurzelb. und der Hl Prof. Doppelmajr, sind Ew HochEdl. vor das portrait des Seel. Herrn Vatters zum höchsten verbunden. Der letzte hat mir beykommendes Zedelchen zugestellet um selbiges Ew. HochEdl. zu übersenden, und Sie zu ersuchen, ob Sie

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Ihm nicht in seinem Petito willfahren können. Er möchte die Nachricht gerne zu seiner unterhanden habenden Historie, der Mathematicorum und Künstlern in Nürnberg employren,[12] und ist erböhtig, die Bemühung, in andere Wege zu verschulden. Was mus doch der gute Herr Wagner machen, daß Er meiner gantz vergeßen hat?[13] Ich bin fast auf die Gedancken gerathen, als ob ich Ihm was zu leid getahn hätte, weil er mir nicht schreibet: und erkühne ich mich nicht, ihm einige Zeilen zu senden, bis ich weis wie ich in seiner Affection stehe? Inmittelst geruhen Sie Ihm mein ergebenstes Compliment zu machen, und Ihn zu versichern, daß ich Ihm mit aller Hochachtung verpflichtet bin. An Hl Rast, habe auch ein Schreiben beygeleget, mit Bitte, daß Ew. HochEdl. selbiges an Ihn addressiren wollen.[14] Wenn Ew. HochEdl. einmal übrige Zeit haben, so belieben Sie mich zu berichten, nach was vor eines Auctoris Regeln, Sie in Ihren Calendern, das Wetter prognosticiren. Ich halte bey 2 Jahren her, ein diarium tempestatum,[15] und finde, daß Sie über die maßen gut zutreffen, und verursachet solches, daß mein ehemaliger Unglaub von Astrologischen Prognosticis, ziemlich zu wancken anfängt, weil mich die Erfahrung überzeuget, daß die Sache richtiger seyn müße als ich mir eingebildet. Solte es in meinen Kräften stehen, daß ich Ihnen in andern fällen dargegen dienen kan: so wird es auf ertheilte orde die Taht bekräftigen, daß ich vollkommen zu seyn verlange.

Ew. HochEdl.

  Nürnberg.
d 21 Sept. 1719.
[Accepi d 22 Octobr.]

gantzergebenster und
verbundenster diener.

Johann Leonhard Rost.

[Bl. 54v]

Distantiae ♂ a τ ♒ et ♀ a Spica ♍ A.o 1719. Reichstadii Bohemiae
a J. Carolo Rostio. Medic. Dcotore observatae.

Die. 24 August.
Temp. horol.      
H.   '.  ''.      
9. 26.  5. culm. lucid Aquil. part. Mic. Valor
    49. 35. dist. &9794; et δ ♒ per tub. 1 pedd. ............................ 43⅓ 1.o 30.' 1.''
    53. 30. dist. &9794; et τ ♒ ................................................... 27⅔ 0. 58.  1
  dist. &9794; et τ ♒ ................................................... 10¾ 2. 30. 56.
Die. 27. August.
6. 58. 20. dist. ♀ et Spic. ♍ per tub. 6 pedd. ............................... 13¾. 0.  6.  4
7. 14. 25. ............................................................................... 13. 0.  5. 45/td>
   37. 30. ............................................................................... 11.⅔ 0.  5.  9
   49.  5. ............................................................................... 11 0.  4. 51
   57.  0. dist. ♀ et Spic. ♍ horizonti proximarum........................... 10. 0.  4. 25
9. 14. 55. culm. lucid. Aquilae ....................................................    
   41.  0. dist. ♂ et δ ♒ per tub. 1. pedd. ................................... 53. 1. 53.  4
   43. 45 dist. ♂ et δ ♒ ........................................................... 33¼. 1. 10. 56
Die. 28. August.
7. 30. 20. dist. ♀ et Spic. ♍ per tub. 1 pedd. ............................... 27 0. 57. 36
   34. 30. Ead. dist. per tub. VI. ped capacitatem lentis
occularis emetiebatur scilicet.......................................
130¾ 0. 57. 43
9. 14. 50. Culm. β in Collo Auqilae ..............................................    

Fußnoten

  1. Kirchs Nachricht zur Bedeckung von Aldebaran (=Palilicius) durch den Mond vom 22. April 1719 leitete Rost an die Breslauischen Sammlungen (=Sammlung von Natur- und Medicin- wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten ) weiter, wo man sie im 8. Versuch, S. 441f. findet.
  2. "ich habe ihn [den Anfang der Mondfinsternis vom 29. August 1719] aber aus seinen Phasen für 7 H. 52 min. 31 s. hergeleitet. Um 8 Uhr 12 min. 5s. wurde der Mons Porphyrites bedeckt und tauchte um 9 Uhr 20 min. 20 s. wieder auf. Um 9 Uhr 05 min. aber tauchte der Lacus niger major auf. Das Ende trat um 10 Uhr 18. min. 10s. ein. Die Größe der Verfinsterung war 5 Dig. 32."
    Rost und Wurzelbau verwenden die unterdessen veralteten Bezeichnungen von Hevelius. Der Mons Porphyrites ist heute der Krater Aristarchus (23,70 N, 47,40 W), der Lacus niger major ein dunkler Fleck nördlich der Montes Alpes. Nach den Angaben von Wurzelbau taucht der Lacus um 10 Uhr 0 min. 5 s. wieder auf, hier scheint sich Rost getäuscht zu haben.
  3. Die Beobachtung der partiellen Mondfinsternis vom 29. August 1719 findet sich in den Nova Litteraria in Supplementum Actorum Eruditorum 1719, S. 223f.
  4. Johannes Gaupp (1667-1738) war Pfarrer in Lindau, der aber vor allem als Astronom bekannt wurde. Er war einer der wichtigsten Briefpartner von Rost.
  5. Die Beobachtungen von Johann Carl Rost finden sich in den Nova Litteraria in Supplementum Actorum Eruditorum 1719, S. 221-223. Die von Müller finden sich im Folgeband von 1720, S. 71
  6. Am 6. September 1719 stand der Mond nahe bei Aldebaran (=Palilicius).
  7. Rost berichet darüber in den Breslauischen Sammlungen (=Sammlung von Natur- und Medicin- wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten) für das Sommerquartal 1719, erschienen 1721, S. 84-86.
  8. Johann Conrad Holzhey (Holzheu) aus Ulm soll 1716 eine neue Art erfunden haben, die Mittagslinie zu finden. 1730 veröffentlichte er darüber eine kleine Schrift: Neu erfundene Universal-Methoden, die Mittags-Linie leicht, geschwind, bequem und unfehlbar darzustellen und aufzureissen. Ulm: Wagner 1730. Eine Besprechung dazu findet sich in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen, 1730, S. 644f. Literatur: Weyermann, Albrecht: Nachrichten von Gelehrten, Künstlern und andern merkwürdigen Personen aus Ulm. Ulm: Wagner 1798, S. 326.
  9. Wie aus dem folgenden Brief vom 24. Dezember 1719 hervorgeht handelt es sich bei dem Verleger um Peter Conrad Monath (1683-1747).
  10. Wurzelbau, Johann Philipp von: Uranies Noricae basis astronomica. Nürnberg: Selbstverlag 1719.
  11. Siehe dazu Rosts späteren Artikel: Von den kleinen Distantiis der Fix-Sterne, die man durch die mit Micrometris versehene Tubos zu messen pfleget. Sammlung von Natur- und Medicin- wie auch hierzu gehörigen Kunst- und Literatur-Geschichten (=Breslauische Sammlungen), Versuch 27, S. 166-176
  12. Doppelmayrs Historische Nachricht kam erst 1730 heraus.
  13. Auch Doppelmayr beklagt im Brief vom 12. April 1720 an Kirch, dass er von Wagner lange nichts gehört habe. Doppelmayr vermutete den Grund darin, dass "dieser gute Herr [...] anjezo was Liebes hat"; UB Basel: L Ia 688: Bl. 79,1r-v.
  14. Georg Heinrich Rast (1595-1726) aus Königsberg war ein deutscher Astronom. Kirch hatte Rost mit Brief vom 26. September 1718 Grüße von ihm ausgerichtet, und angeboten Briefe an ihn weiterzuleiten.
    ADB XXVII, 1888, S. 337f. (Autor: Sigmund Günther);
    Buck, Friedrich Johann: Lebens-Beschreibungen derer verstorbenen Preußischen Mathematiker. Königsberg, Leipzig: Hartung und Zeise, S. 155-158.
  15. Demnach begann Rost also schon 1717 mit Wetteraufzeichnungen. Seine Aufzeichnungen der Jahre 1719 bis 1726 finden sich in den Breslauischen Sammlungen.