Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Unbekannt
Ort Nürnberg
Datum 20. Mai 1719
Signatur UB Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel:
2 Ms. hist. litt. 4[Rost:1, Bl. 1r-2v
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter
  Hochgeehrtester Herr Hof=Rath
   Vornehmer Patron.

Ew: HochEdl. nenne mich zum allerhöchsten verbunden, daß dieselben Dero schätzbahre Wolgewogenheit, mich in Ansehung meines Astronomischen Hand-Buches[1] gewürdiget: und mir hierüber eine schriftliche Versicherung ertheilen, hochgeneigt geruhen wollen. Weil Ew. HochEdl. sich hierbey einer Schreib-Art bedienet, die wegen Ihres generösen In=

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halts, billich vor gantz außerordentlich zu halten ist: als habe alsobald geurtheilet, daß ich mit einer Person zu correspondiren, das Glück erlanget, die mir in meinen zur Ehre Gottes, und zum Dienste des Nächsten gewidmeten Absichten, nachdrücklich unter die arme zu greiffen begierig ist. In dieser guten Meinung, hat mich der ehrliche Herr Rector Winterberger[2] vollkommen gestärcket; maßen von Ew. HochEdl. er mir so viel rühmliches und Lobwürdiges erzehlet, daß mir das Vergnügen fehlet, meine darüber verspürte Zufriedenheit in Worten vorstellich zu machen.[3] Ew. HochEdl. venerire derohalben mit allem ersinnlichen Respect, und melde auf Dero ertheilten Befehl, daß ich mich in meinen Academischen Jahren, welche ich in Altdorf, Leipzig und Jena zugebracht, auf das Studium Juridicum geleget, und den Gradum anzunehmen, willens gewesen. Dieweil ich eben von Jugend auf, eine ungemeine Liebe zur Mathesin, absonderlich zur Astronomie bey mir empfunden, und nach meiner Rückkunft von Universitaeten, durch die Erfahrung überzeuget worden, daß sich Leute von meinem Humeur, mit beßeren Gewißen an dem Himmel, als auf dem Raht-Hause umsehen können; so habe ich das Corpus Juris etwas auf die Seite geleget, und mich in einer Wißenschaft immer beßer zu perfectioniren getrachtet, wodurch die Seele in den Gedächtnis des majestätischen Gottes die größte Glückseligkeit, und das Gemüthe, die aller unschuldigste Beruhigung, erreichen kan. Ob ich nun schon niemal einen Lehr-Meister darinnen gehabt,[4] und meine Eltern mich noch darzu alle Zeit daran gehindert: so ließ ich mich doch nicht irre machen, mit dem, mir von Gott anvertrauten Pfunde zu wuchern, wozu sich gute Leute fanden, die mir

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mit Büchern an die Hand gingen. Ich resolvirte derohalben in Gottes Nahmen, mich so viel als möglich auf die Astronomie zu legen, und den aus ihr herrührenden allgemeinen geistlichen und weltlichen Nutzen befördern zu helfen. Zu dem Ende, übte ich mich in der praxi auf hiesigen observatorio; erwarb mir einen freyen Zutritt bei dem berühmten Herrn von Wurzelbau; bediente mich seiner herrlichen Bücher u: Instrumenten; machte mich durch die Correspondenz mit fremden Astronomis bekannd; und sorgte dabey dahin, mir auf ehrliche Art, etwas Geld zu verdienen, daß ich mir mit der Zeit einige eigene requisita Astronomica anschaffen möchte; Ich hielte also einigen jungen Leuten Collegia, über die Erlernung teutscher Briefe[5] und über die Arithmetic; schrieb den Buchhändlern auf ihre Angaben ein und andere Sachen; ließe mich zur Correctur manchmal in Druckereyen gebrauchen, und habe mir dadurch so viel zu wegen gebracht, daß ich jährlich einige hundert Gulden erwerben kan. Allein, eben diese Beschäftigungen entziehen mir viele Zeit; und weil ich de pane lucrando[6] arbeiten mus, bin ich gezwungen, die Astronomie nur als ein Neben-Werck zu treiben, bis mir Gott U: das Glück beßere Vortheile zu deren Ausübung zueignet; die nach meiner Rechnung darinnen bestehen, daß ich mich hier nach einen profitablen Amte umsehen will, welches so viel abwirft, daß außer dem erfordernden Unterhalt, auch die Unkosten zur praxi Astronomica, bei übriger Zeit davon zu betreiben seyen. Da aber die Erfüllung dieser Hofnung, annoch in weitem felde stehet, und man meiner guten Intention, mehr mit Worten als mit Wercken unterstützet: so werde ich oft ziemlich klein-

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mütig, und solte wohl meine Concepten gäntzlich fahren laßen, wenn ich nicht meine Zuversicht allzu fest auf des Höchsten Beystand gegründet hätte. Ich will dannenhero der Hüfe des Herrn harren, die mich etwan unvermuthet, mit der Erhörung meiner Bitte, erfreuen dürfte. Wißen Ew. HochEdl. mir mit einem guten Rath an die Hand zugehen, wie mein Zweck am füglichsten zu verrichten ist: so erwiesen Sie mir einen solchen Gefallen, dafür Ihnen, ich, mit ewigen Danck verbunden bliebe; und will ich außer dem, Gott eifrig anflehen, daß er Ew. HochEdl. und dero gesammte vornehme famille, auf lange Jahre, bey unveränderlichen hohen Wohlseyn gnädiglich erhalten; alle Dero zur Aufnahme der Wissenschaften bestimmten Anschläge kräftig segnen: mich hingegen immer würdiger machen wolle, daß in Behauptung Ihrer mir gewidmeten Affection mit der verpflichtesten Observanz, lebenslang den Namen führen darf

Ew: HochEdl.
  Meins hochgeehrtesten Herrn Hof=Raths


 Nürnberg
den 20 Maji A.o 1719.

gantz=gehorsamster und verbun=
denster Diener.  

Johann Leonhard Rost.  


Fußnoten

  1. Rost, Johann Leonhard: Astronomisches Handbuch. Nürnberg: Peter Conrad Monath 1718. Die Vorrede im Handbuch ist auf den 9. September 1718 datiert.
  2. Johann Conrad Winterberger (?-1733) war Rektor an der Lorenzer Schule in Nürnberg.
  3. Der unbekannte Adressat dieses Briefes ist also im Umkreis von Winterberger zu suchen. Der soll 1695 Hofmeister eines Herrn von Egloffstein in Utrecht gewesen sein. 1703 schrieb er sich als Präceptor des Carl Nützel in Frankfurt an der Oder ein. Beide Personen konnten bislang nicht näher identifiziert werden, insbesondere ist damit unklar, ob einer von den beiden Hofrat wurde. Vgl. Steinmeyer, Elias: Die Matrikel der Universität Altdorf. Band 2: Register. Würzburg: Stürtz 1912, S. 625f., Fußnote 21.
  4. Dass Rost keinen Lehrmeister in der Astronomie hatte, betont er auch in den Briefen vom 1. Oktober und 24. Dezember 1718 an Kirch.
  5. Rost, Johann Leonhard: Die Leichteste Art teutsche Briefe zu schreiben. Nürnberg: Johann Albrecht 1717.
    Während seiner Studienzeiten in Jena und Leipzig hatte Rost sein Geld mit dem Verfassen "galanter" Romane verdient, die unter dem Pseudonym Meletaon veröffentlicht wurden. In seinen Briefen erwähnt er davon nirgends etwas. Sein Buch von 1717 sowie diese Briefstelle sind die einzigen vagen Andeutungen aus seiner Feder, die auf seine Tätigkeit als Romanist hinweisen.
  6. De pane lucrando: zum Broterwerb.