Briefwechsel Michael Adelbulner
Kurzinformation zum Brief | Zum Original |
Autor | Adelbulner, Michael (1702-1779) |
Empfänger | Trew, Christoph Jacob (1695-1769) |
Ort | Nürnberg |
Datum | nicht datiert[1] |
Signatur | UB Erlangen: H62/TREWBR ADELBULNER_MICHAEL[1 |
Transkription | Hans Gaab, Fürth |
HochEdelgebohrner
Insonders Hochzuehrender Herr Hofrath
sehr wehrter Herr und Gönner.
Ew. HochEdelgebohren nehme mir die Freÿheit gegenwärtige blätter zu übersenden, welche den Grundriß meiner Disputation, die de medico philosopho habe halten wollen, in sich enthalten.[2] Ich habe dabeÿ eine gedoppelte Absicht, damit nemlich Ew. HochEdelgebohren diese meine Gedancken mit Hl Dr. Ettlingers Sciagraphia[3] vergleichen, und auch Deroselben Gutachten darüber mir gütigst communiciren möchten. Die gedoppelte Absicht der medicin giebt mir Anlaß, meine Disputation in 2. Haupt-Theile zu theilen; deren 1ster die Reguln in sich enthalten soll, wie sich der medicus philosophicus in sanitate conservanda aufführet. Ich fange von der notitia sanitatis an, welche folgende ist: Sanitas est ille corporis status; quo singulos ejus partes ad usus suos omnes, quibus destinantur, aptae sunt, und eruire daraus, daß derjenige der von der Sanitate raisoniren will, ein perfecter Anatomicus, und Physicus seyn muß. Aus der Anatomie muß erlernen I. structurum partium II. modum, quo pars quadam eum aliis iungitur; III. materiae, ex qua pars constat, mixtionem. Wenn diese 3. Stücke secundum naturam sich befinden, so ist der pars zu seiner function und Gebrauch aufgeleget, und mithin gesund. Gleich wie wenn aber nicht allezeit aus diesen 3. Stücken der sum[?], den ein Theil hat, a priori herausbringen [...?]; also sind die observationes anatomicae und physicae hier in diesem Stück sehr nüzlich, ja unentbehrlich. Nun wolte ich zeigen durch ein Exempel, wie der anatomicus philosophisch verfährt, und wie er diese erst gesezten 3. Stücke heraus bringet. Ich habe die Lunge erwehlet, deren Structur ich erstlich gezeiget, ihren Locum, oder Verknüpffung dem Raum nach mit anderen theilen, und deren 3. die Art der Materie, aus welcher sie bestehet. Hierauf zeige ich, wie vermittelst ihrer
[Bl. 1v]
Structur die Lunge zu ihrer Function aufgeleget ist, und endlich wie das
ganze Negotium der Respiration vor sich gehe. Und da ich hierzu die Eigenschaften
der lufft unumgänglich wissen muß; so zeige ich beÿ dieser Gelegenheit
wie nüzlich und unentbehrlich das Studium physicum in der Medicin seÿe.
Der II. Haupt-punct betrift die Cognitionem rerum salubrium et in salubrium; von dieser cognition sage ich, daß sie sehr schwach? seÿe, besonders darum quod in nullo riborum genere absoluta nocendi vis deprehendatur, sed respectiva saltem. Daher es denn auch komme, daß ein jeder Mensch huc? constitutioni congrua alimenta et potulenta erwehlen muß. Hier giebt es Gelegenheit von den Temperamenten zu reden, den beschluß aber des 1.sten Theils machet eine kurze Beschreibung der rerum non-naturalium.
Alles was auf die restitutionem sanitatis ankömmt, reducier ich auf 3. Haupt-Stücke, nemlich 1. auf indicantia clara et perspecta, 2. Indicationes distinctas et complectas; und 3. Indicata usu et experientia probatu. Ich halte dafür, daß auf diese dreÿ Haupt-Stücke alles in der Medicin ankömmt; und daß sich durch die beÿgesezte epitheta der Medicus philosophus von denen andern und empirici vollkommen distinguiren kan[?]. Ich zeige aber, was zu diesen dreÿ Stück gehöret, nemlich indicantia clara et perspecta supponi, I. eine vollkommene Erkänntnis der Anatomie, II. des aegri decumbentis; und III eine accurate morborum historia, quae aegrotantium naturam, morborum genium, originem, causam, signa, ementus tam faustos quam sinistros complectitur. Ich zeige ferner, wie aus dem Indicante die Indicatio kömmt, welche in einem ratio cinio eigentlich bestehet; da nun aber jedes ratiocinium 3. propositiones hat, so weise ich, aus was diese 3. propositiones bestehen; Von dem maiore sage ich, daß er aus der morborum historia, physica, Logica, Ontologia etc. seinen Ursprung habe; der minor aber entstehet aus den Indicante, aus welchen beeden denn hernach die conclusion kömmt, welche das Indicatum giebt. Beÿ dieser Gelegenheit zeige ich, wie vorsichtig der Philosoph verfähret, wenn er mit Schlüssen umzugehen hat. Beÿ dem Indicato endlich sage ich, daß es a priori et a posteriori herausgebracht wird. Was beÿ beÿden Weegen zu remarquieren ist, wird ebenfalls kürzlich gezeiget.
Alles dieses wollte ich nun mit ein paar Exempeln erläutern; und den verschiedenen statum praeter naturalem pulmorum durchgehen, und anbeÿ die Cur vornehmen, und zwar nach den Regulen, die ich gegeben habe.
[Bl. 2r]
So siehet die Sciagraphie meiner disputation aus. So viel ich sehen
kan, so sind es freÿlich keine hohen Gedancken, und kan ich
mir zum voraus die Rechnung machen, daß sie in den erleuchteten
Augen Ew. HochEdlegebohren sehr schlecht aussehen werden; mich düncket
aber, daß sie wenigstens als denn vor die gelehrte Welt
taugen werden, wenn Ew. HochEdelgebohren sie Ihrer polirten feule[?]
würdigen, und sie hin und wieder verbessern möchten. Sollte
sie aber gar zu schlecht seÿn, oder meistens mit Hl. Dr. Ettlinges
Schrift überein kommen, so will ich gerne das absehen, und mich
über die materie machen, welche von Ew. HochEdelgebohren mir
recommendirt worden. Der ich mich übrigens zu noch fernerem geneigten
Andencken gehorsamst empfehle, und in
Erwartung einer baldigen Antwort mit allem respect
verharre
Ew. HochEdelgebohren
als meines Hochzuehrenden Gönners
ergebenster verbundenster
diener
M. Adelbulner
Fußnoten
- ↑ Mit diesem überschickt Adelbulner die Konzeption seiner Disputation an Christoph Jacob Trew. Die Disputation selbst fand am 23.06.1738 statt. Im Brief vom 31.01.1738 an Christfried Kirch schreibt Adelbulner, dass er "allbereit vor 5. Monaten" im Begriff war, seine Disputation vollends zu verfertigen, doch der Tod seines Vaters kam dazwischen. Dieser Brief stammt damit wahrscheinlich vom August 1737.
- ↑ Adelbulner, Michael: Theses med. physiol. pathol. pulmonum fabricam, usum variaque quibus affliguntur incommoda generatim complectentes. Altdorf: Georg Meyer 23.06.1738
- ↑ Der Fürther Johann Leonhart Etlinger (1714-1756) hielt 1736 in Altdorf
seine Disputation zur Erlangung der Doktorwüde:
Etlinger, Johann Leonhard: Dissertationem physiologico-medicam inauguralem de corporis humani nutritione. Altdorf: Kohles 1736.
Wegen der Ähnlichkeit der Themen sollte Trew "Ettlingers Sciagraphia" (= Ettlingers Grundriß) mit seiner Arbeit abgleichen.