Briefwechsel Johann Leonhard Rost


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Rost, Johann Leonhard (1688-1727)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 28. September 1717
Signatur UB Basel: L Ia 720, Bl. 31r-32r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelahrter
   Hochgeehrtester Herr.

Ew. HochEdl. sage gehorsamsten Danck, vor die überschickten Loca Solis, nebst dem Calculo Eclips. ☉.[1] und werde ich vor die Bemühungen in andern Gelegenheiten, wiederum nach Möglichkeit dienen, worzu nur Dero Befehle gewärtig bin. Daß dieselbige sonsten mit colligirung, der macularum ☉arium beschäftiget; ist mir sehr angenehm: u: fahre ich gleichfals täglich fort, deren observationes, per Tubum, abzuwarten: bedauere aber sehr, daß es nicht per cameram obscuram, und auf diese Art geschehen kan, wie Sie dem Ao. 1716 Ihrer Ephemerid.[2] p. 80 ein Exempel einverlaibet. Dieweil ich doch aber solches künftig zu tuhn besorget: als würden Ew. HochEdl. mich unendlich obligiren, wenn Sie mir von Ihrem Methodo observandi, eine ausführliche instruction ertheilen: und mich unter andern informiren möchten: wie der im gedachten Exempel, vorhandene parallelus Aequatoris zu finden: und unter was vor einem Winckel mit der Ecliptic, er bey jeder observation, auf zureißen? Auch wie die longitudo et Latitudo Macularum zu determiniren ist? Außerdem geschehe mir auch ein

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sehr großer Gefallen, wenn Sie mir Ihre manier zu communiciren beliebten, wie bey einem transitu ☽ a fixis,[3] die linea transitus, seu viae *ae,[4] zu finden ist? Denn ich habe befunden, daß meine bißhero gebrauchte Art, unrichtig, weil ich sie mit der weite des centri ☽ et puncti ☌ *ae,[5] parallel gezogen: da es doch unstreitig, propter variationem motus ☽ae ejusque inclinationis,[6] unmöglich also seyn kan. Die weil es auch gar viel, zur Aufrichtung eines solchen Schematis, auf die Lineam perpendicularem ankömmt, wie ich hier diejenige Linie nenne, die sonst wo nur recht, Linea Nonagesimi[7] heißet: und die oben zur lincken, bey dem Monte Sinai,[8] bey dem lacu Nig.-Major[9] herunter fällt: so geruhen Sie gütigst beyzufügen, wie diese Linie, bey jeder observation, es sey gleich der ☽ in □ oder ☍,[10] in dem Schemate auf zureißen? Diese Linie, hat mir bißhero, viele Gedancken gemacht. Von Erfindung der Liniae fixae seu * hingegen, bin ich aus Dero Schemate p. 80, so weit instruiret, daß ich Ihre methode, etwas begreiffe: und will ich aus Ihrer Nachricht hören, ob ich mich nicht geirret. Ew. HochEdl. werden mich dadurch höchlich verbinden, weilen ich solcher gar sehr zu meinen edirenden Problematibus, benöthiget bin. Die jüngste ☽Finsterniß,[11] hat man hier vom Anfang, biß zum Ende gesehen. Ich habe der Observation, in des Herrn von Wurzelbau Behaußung,[12] bey gewohnet. Wenn ich die in das reine gebrachte Observationes, von Ihm bekomme, will ich sie communiciren, wie wol er es wol selbst, tuhn wird. Das curiöseste war dabey, daß mit dem occasu centri ☉is, das centrum ☽ aufgegangen: und also ☉ u: ☽ zugleich, über dem Horizont gestanden. Herr von Wurzelbau, bedancket sich indeßen, vor Ihr höfliches Compliment. Ich habe ihm Ihren Brief, lesen laßen: und war ihm sonderlich Dero Vorhaben angenehm, daß Sie

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einen Tractat, vom Nord Licht, ediren wollen.[13] Weil er nicht groß, glaube ich, daß sich in Leipzig leicht ein Verleger, darzu finden würde, wenn etwan hier Herr Endner[14], nicht selbst tuht. Diesem, habe den Brief bestens bestellet. Ew. HochEdl. Ephemerides belangend, wäre gewiß gut, wenn sie bald wieder zum Vorschein kämen, weil sie wegen der Deutlichkeit und des curiösen Inhalts, angenehm und nützlich seyn. Nächster Tagen werden des Gaupii Ephemerides ad Ao. 1718. 19. 20 fertig;[15] worinnen der die Eclipses, nach der Art des Hl Manfredi[16], aufgerißen. Was davon in diesem Triennio abgehet, das sollen die künftigen ad Ao. 1750 usque supputatae,[17] nebst dem Calendario Astronomico Latino[18] ersetzen. Außer dem, bin ich sehr erschrocken, da ich in Dero Astronomischen Wahrsager[19] 1718 gesehen, daß Sie nur die occultationes Palilicii[20], außerdem aber sonst keine occultationes et transitus fixarum berechnet. Ob es deren künftiges Jahr, keine giebt: oder warum Sie nicht mehrer berechnet, trage ich Verlangen zu wißen. Haben Sie aber mehr berechnet: so bitte mir darum communication aus. Ew. HochEdl. ermangeln dabey nicht, mir offenhertzig dargegen zu melden, wenn wieder mit was angenehmes dienen kan; weil ich mir eine freude daraus mache, wenn warhaftig heißen kan

Ew. HochEdl.

Nürnberg. den 28 September
  Ao. 1717.

gehorsamster und verbun-
denster diener

Johann Leonhard
Rost.


Fußnoten

  1. Berechnung von Sonnenfinsternissen.
  2. Kirch, Christfried: Teutsche Ephemeris auf das Jahr 1714-1716. Worinnen nicht nur der Lauff der Planeten in Länge und Breite, sondern auch derselben sichtbarer Auf- und Untergang ... und andere nützliche astronomische Rechnungen zu finden. Nürnberg: Endter 1714.
  3. transitu ☽ a fixis: Ein naher Vorbeigang eines Sterns am Mond.
  4. linea transitus seu viae *ae: Die Linie, die den Weg des Sterns bei einer Bedeckung oder einem nahen Vorbeigang anzeigt.
  5. weite des centri ☽ et puncti ☌ *ae: Verbindungslinie vom Zentrum des Mondes zum Punkt der Konjunktion des Sterns, d.h. zu dem Punkt, wo der Stern den kleinsten Abstand zum Mond hat.
  6. propter variationem motus ☽ae ejusque inclinationis: wegen der veränderlichen Bewegung des Mondes und dessen Neigung.
  7. Nonagesimi: Neunzig.
  8. Sowohl Monte Aetna wie Monte Sinai sind heute nicht mehr gebräuchliche, auf Hevelius zurückgehende Bezeichnungen. Der Monte Aetna ist heute der Krater Copernicus (9,70 S; 20,00 W), der Monte Sina der Krater Tycho (43,30 S; 11,20 W).
  9. Auch die Bezeichnung Lacus Niger Major geht auf Hevelius zurück und ist heute nicht mehr gebräuchlich. Es handelt sich um den heutigen Krater Plato (51,60 S; 9,30 W).
  10. Wörtlich: Es sei gleich der Mond in Quadratur oder in Opposition, d.h.: egal ob wir Halbmond oder Vollmond haben.
  11. Am 20. September 1717 fand eine partielle Mondfinsternis statt. Wurzelbaus Beobachtungen findet sich in den Miscellanea Berolinensia, Band 2 (1723), S. 152-154.
  12. Wurzelbaus Haus wurde im 2. Weltkrieg vollständig zerstört. Die heutige Adresse wäre: Am Spitzenberg 4.
  13. Ein derartiges Traktat vom Nordlicht ist von Kirch nicht bekannt.
  14. Die Endters waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  15. Gaupp, Johannes: Ephemeris Motuum Coelestium. Secunda, tertia, & quarta. Ad Annos a Nativitate D.N.J.C. 1718. 1719. 1720. Augsburg: Caspar Brechenmacher 1718 [SB Regensburg]. Auf diese Schrift hat Rost schon im Brief vom 14. August 1717 hingewiesen.
  16. Eustachio Manfredi (1674-1739) aus Bologna brachte ebenfalls Ephemeriden heraus.
  17. ad Ao. 1750 usque supputatae: die bis zum Jahr 1750 berechneten [Ephemeriden].
  18. Gaupp scheint auch einen in lateinischer Sprache geschriebenen Kalender herausgebracht zu haben, doch ist davon kein Exemplar überliefert. Vgl. den Eintrag zu Gaupp im Biobibliographischen Handbuch der Kalendermacher von 1550 bis 1750 von Klaus-Dieter Herbst.
  19. Der Warhafftige Himmels-Bothe / Oder Astronomischer Wahr-Sager ist eine Kalenderreihe, die schon von Gottfried Kirch begonnen worden war.
  20. α Tau (Aldebaran=Palilicius) wurde sowohl am 9. Februar 1718 als auch am 7. Dezember 1718 vom Mond bedeckt. Der Kalender von Kirch ist nicht überliefert, so dass nicht geklärt ist, welche der beiden Bedeckungen er berechnet hat.