Briefwechsel Michael Adelbulner


Kurzinformation zum Brief Zum Originalbrief
Autor Adelbulner, Michael (1702-1779)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 1. November 1734
Signatur UB Basel: L Ia 677, Bl. 38r-41r
Transkription Hans Gaab, Fürth


HochEdler, Hochgelahrter,
   Insonders Hochzuehrender Hl.
     sehr wehrter Gönner und Patron.

Deroselben wehrteste Zeilen d. d. 11. Octobr. habe richtig erhalten, und aus denselben mit besondern Vergügen gesehen, wie sehr sich Ew. HochEdl. die Beförderung der Com. Astron. angelegen seyn laßen. Ich dancke für solche Gefälligkeit gehorsamst und versichere, daß für dero Mühe nicht ganz und gar unerkenntlich seyn werde. Möchten Sie inzwischen einige von denen überschickten exemplarien nehmen, und damit ein und andern von dero guten freunden dienen, so wäre es mir sehr lieb; denn ich würde daraus schließen, daß Sie auch bloße signa eines dankbegierigen Willens nicht verschmähen.

Den etwas kürzer gefaßten Catalogum phoenomenum coeli futurorum erwarte inzwischen mit Verlangen, und ist mir derselbe um so viel lieber, weil ich schon zum voraus sehe, daß man künfftighin auf die menagirung des spatii beßer sehen muß.

Den catalogum Eclips. Circumjovial.[1] habe empfangen, wofür gehorsamsten dank sage; Die Nachricht davon stehet bereits

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in dem Com.[2] Die recension aber habe bißher nicht geben können. Ich würde nicht so saumselig damit gewesen, auch überhaupts schon weiter mit dem Com. avanciret seyn, auch vielleicht ein und anders beßer eingerichtet haben, wenn ich mich nicht schon dieses ganze Jahr über mit einer beschwerlichen maladie schleppen müßte, welche mich offt außer Stand gesezet, etwas rechtes zu überlegen, und meinen studien, wie sich es gebühred, abzuwarten. Ich hoffe, Ew. HochEdl. werden diese Saumseligkeit nicht übel deuten, auch die Enderung, welche ich in Ansehung des Worts Diameter, in dero mir überschickten observation gemacht, nicht in malam partem interpretieren. Ich habe dieses Wort alle Zeit unter diejenigen gerechnet, die gen. foem. sind, und hielte daher dafür, daß Sie sich möchten verschrieben haben. Seybold in seiner teutschen grammatic[3] p. 20 braucht es auch in genere foem. Wer nun unter unser beyden grammaticis recht hat, will ich nicht ausmachen; es gehört ohnehin dieser Streit vor die grammaticos, die nach ihren erlauchtesten critischen Verstand denselben schlichten mögen.

Aber wohin gehören die Worte: Sonsten gefällt mir in Astronomischen Dingen noch ein simpler stilus, womit mir die Sache deutlich gemacht wird, als ein zierlicher, der der Deutlichkeit Einzug thut. Ich solte muthmaßen, daß der medius terminus das commercium Astron. wäre. Ich kan aber die Schreib-Art nicht vor zierlich halten, und daß sie manch-

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mal confus seyn solte, möchte ich auch nicht gerne glauben. Doch es kan seyn, ich hoffe aber, daß ich mich nicht so weit werde verfallen haben, daß meine Leser mit denen Wörtern einen anderen Begriff verknüpffen können, als ich damit verknüpfet haben will. Deme sey inzwischen wie ihm wolle, so nehme ich es vor eine Erinnerung an, behutsam zu seyn, damit niemand sich über Undeutlichkeit beschweren möge.

Die Recension von dem neuen Tomo Miscellan. Berol.[4] solte mir wol zu statten kommen, und wär mir sehr lieb, wenn Ew. HochEdl. dieselbige zu verfertigen geruhen möchten. Weil selbige in den andern Theil der Com. kommen soll, so können Sie selbige mit guter commodite verfertigen. Die Anmerkung aber über die observirte occult π ♓ soll noch in den ersten Theil kommen.[5] Dieselbe gefället mit überaus wol, um so mehr, weil selbige die theoriam Newtoni bestärcket, und derselben conform ist. Ich bin mit diser theoria sehr eingenommen, und ich kan niemals ohne großes Vergnügen betrachten, wie der unvergeßliche Newton alle die inaequalitates, die sich in der Besorgung der Monds hervorthun, nicht durch allerhand selbst erdichtete hypotheses; sondern durch wehrteste causas physicas; und lediglich durch die diversam ☽ae ad ☉em suumque primarium, ☉ rem nempe, tendentiam, so deutlich expliciret und herleitet, daß

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man von diesem so inaequali motu sufficiente raison geben kan. So bald ich dergleichen etwas seriense Arbeit ohne Schaden der Gesundheit wiederum vornehmen darf; soll dises meine vornehmese Beschäfftigung seyn, daß ich die physicam coelestem Newtoni mir recht geläuffig mache. Gegenwärtig bin mit der Cassinischen methode die occultationes stellarum per Lunam zu percipieren, beschäfftiget, welche mir vor andern Arten gefället. So bald damit fertig, will ein und ander solis et lunae eclipses berechnen, und dazu die Tabb. Solares Wurzelb.[6] nebst den Tabb. Lunares Newtoni[7] gebrauchen; mich düncket, daß der auf solche art angestellte calculus beßer mit den observationes übereintreffen solte. Nebst dem erwarte auch mit großer Ungedult eine Antwort von Hl. Zanotto[8] aus Bononien; ich habe diesen wahren Astronomum ersuchet, mir bey Hl. Manfredio die Methode auszubitten, dere er sich bey der vorstellung der Sonnenfinsternißen, wie sich selbige über den Erdboden ergeben, bedienet; Ich kan mir nicht einbilden, daß alle die loca durch den calculus solten bestimmet, und auf solche Art die krummen Linien determiniert werden, weil dieses eine desparate Arbeit wäre. Ich muthmaße vielmehr, daß er einen mechainischen methodum hat, dergleichen Vorstellungen und mappas, wie

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sie in seinen Ephem. stehen, zu verfertigen.[9] Des Hl. P. Nic. Gramm. methode, die loca Solis mechanice zu finden, welche eine totale oder partiale Sonnenfinsternis sehen können, etc. gefället mir auch sehr wol, werde daher nächstens eine probe davon machen.[10]

Ew. HochEdl. deuten nicht ungütig, daß ich Ihnen mit Erzehlung meiner so wol gegenwärtig als zukünfftigen Geschäfften beschwerlich bin. Sie können nicht glauben, wie groß das Vergnügen ist, welches ich bey Ausfertigung meiner an Sie gerichteten briefe empfinde; und wenn der regard vor dero mir so wehrten Person nicht so groß wäre, würden Sie gewißlich alle monath einen brief von mir zu erlangen haben, der gar offt nichts wichtiges, das alle Zeit so viel in sich enthalten solte, daß das Vergnügen, welches ich über dero Freundschafft habe, mich längstens zu dero ergebensten diener gemacht. Ich wolte nicht mehrers wünschen, als daß wir Ew. HochEdl. hier zu unserem Professore matheseos hätten, und daß ich Sie mit Hl. N. N.[11]

vertauschen könte. Auf unserer Seite wäre es richtig; ob aber die Königl. Societät mit diesem Wechsel zufrieden, ist zu zweifflen, absonderlich, weil sich mir aequalia subpitianen laßen. Doch wer weiß. ob ich nicht einmal das

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Vergnügen habe Ew. HochEdl. in Berlin mein Compliment zu machen.

Noch eines habe mir von Ihnen auszubitten, nemlich ob Sie nicht auf folgende puncta eine Antwort zu geben, geruhen möchten.

1) ob es gnädig aufgenommen wird, wenn der Königl. Preuß. Societät ein buch dediciret wird
2) ob Sie nicht den lateinischen Titul diese societet procurieren könten und möchten
3) wieviel man Exemplaria zu überschicken?
4) ob man bey Überreichung desselben nicht zugleich dem Hl. Praesidi schreiben, die ursache entdecken, und sich wegen der freyheit excusiren muß, und
5) ob es nicht übel aufgenommen wird, wenn man über den dedications-Titul das Wappen der König. Societät, etwan auf die Art, wie es bey dem Schüblerischen diploma stehet, sezen ließ.

Dieses wären die puncta, auf welche mir eine Antwort ausbitte, und zwar je eher, je lieber. Solte sich keine Gelegenheit ereignen, etwas nach Nürnberg zu schicken, so könte Ew. HochEdl. den brief mir auf die Post geben; das porto aber, nebst allen dem, was Sie in Anstehung des Comm. auslegen, mir auf- und

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zusammen schreiben, und wie alle Jahr die Rechnung überschicken, da ich dann so willig als schuldig das ausgelegte wieder erstatten werde. Und dieses will ein vor allemal gesagt haben.

Weil es der Plaz noch leidet, muß ich doch von unerfreylich Hl. P. D. als meinem unvergleichlichen Gönner nur so viel melden, daß bisher nicht das geringste Aufsehen ist, als wolte er seine observationes; will sagen, die ihme überschicket worden, ediren, und dem publico communiciren.[12]

Er soll auch, wie von vertrauten Personen weiß, nicht gar wol zufrieden seyn, daß Hl. Schübler in die Königl. Pr. Soc. gekommen, sein Haß dämmert noch gegen diese Person,[13]

und gegen mich scheint er auch so bald nicht zu erlöschen, ohngeachtet ich noch immer sein wiederliches und rachgieriges Gemüth zu besänftigen, und so bey jeder Gelegenheit zu menagiren suche. Das beste ist, daß ich dem ungeachtet, ganz ruhig bin und nach seinem unverdienten Haß gar nicht frage.

Schlußlich empfehle mich noch mals in Ew. HochEdl. fernere Affection, lebenslang verbleibend

Ew. HochEdl.
als meines wehrtesten Gönners

Nürnberg d. 1. Nov.
1734.

ergebenster diener
Adelbulner


Fußnoten

  1. Kirch, Christfried: Eclipses circumjovialium sive immersiones et emersiones omnium quatuor satellitum Jovis: ad annos 34. 35. 36. 37. 38. et priores menses anni 39. labentis hujus seculi, supputatae, et ad meridianum Berolinensem reductae. Berlin 1734.
  2. Vgl. die Besprechung von Kirchs Arbeit in der 21. Ausgabe der Comercii vom 2. Dezember 1734, S. 239f.. Hier ist die Seitenzählung im Band falsch: Statt 339/340 lies 239/240.
  3. Seybold, Johann Georg: Compendium Grammaticae: Darinnen Die fürnemste und nohtwendigste Praecepta und Regulae, samt deren Exceptionibus, den Angehenden zu gut in Teutscher Sprach gegeben. Nürnberg: Endter 1698.
  4. Miscellanea Berolinensia ad incrementum scientiarum, Band IV. Berlin: Rüdiger 1734. Eine Besprechung dieses Bandes findet sich in den Comercii nicht.
  5. Die angesprochene Occultation fand am 12. Januar 1734 statt. Adelbulner zitiert aus dem Brief von Kirch in der Nummer 20 des Commerciums vom 22. November 1734, S. 226-230.
  6. Wurzelbau, Johann Philipp: Uranies Noricae basis astronomica. Nürnberg: Peter Conrad Monath 1719.
  7. Grammatici, Nicasius: Tabulae lunares ex theoria et mensuris geometrae celeberrimi domini Isaaci Newtoni equitis aurati in gratiam astronomiae cultorum concinnatae. Ingolstadt: Grass 1726
  8. Eustachi Zanotti (1709-1782) war Astronom in Bologna.
  9. Eustachio Manfredi (1674-1739) war Astronom in Bologna. Seine aktuellen Ephemeriden erschienen in zwei Bänden: Tomus I: 1726-1737; Tomus II: 1738-1750.
  10. Grammaticus, Nicasius: Solis et lunae eclipsium in plano organice delineandarum methodus nova. Freiburg: Walpart 1720
  11. Adelbulner spielt hier auf Doppelmayr an.
  12. Nachdem Adelbulner mit der Herausgabe der commercii begonnen hatte, ließ Doppelmayr in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen verkünden, dass er nun nach und nach die von ihm angesammelten Beobachtungen herausgeben wollte. Vgl. dazu den Brief von Adelbulner an Kirch vom 12. Dezember 1733.
  13. Schübler war am 10. Februar 1734 als auswärtiges Mitglied in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen worden. Doppelmayr hatte schon sehr früh versucht, dessen Aufnahme zu verhindern, vgl. z.B. das PS seines Briefes an Kirch vom 27. Juli 1726.