Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 3. Oktober 1738
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 128, 1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelehrter,
Sonders hochzuehrender Herr,
und Hochgeneigter Gönner!

Ew. HochEdlen angenehmes von 30. Augusti[1] habe ich inmittelst von den Hhl Endterischen[2] richtig erhalten und daraus gern ersehen daß die überschickte Globi unbeschädiget in Berlin angelanget.[3] Was die Globos des würtenbergers Pfarrers, der sich Andreae benennet, betrifft, hat er dern verschiedene Sorten vor mehr als 20 Jahren zwar zum Vorschein, aber dabey mit weniger Richtigkeit, gebracht, indeme er wenig Verstand daran gehabt, und aus Mangel tüchtiger Zeichnungen auf denen Retibus, nur die zu kauffen befindliche Schnitte von den coronellischen Globis, die bishero einen schlechten Applausum gefunden,[4] hat nachstechen lassen; die annoch sein hinterlassener Sohn mit vieler Prostitution, da die Retia mehrentheils nicht recht zusammen treffen, vorjezo 2 Meiln von hier wohnhafft,[5] in einer zimlichen Anzahl verfertiget und um einen weit geringern Preiß denen Landkrämern distrahiret, als die meinigen verkaufft werden, inzwischen bleiben doch diese so man was bessers haben will, nicht liegen, da der Verleger bald dahin bald dorthin einige verschicken muß. Die Avancirung der assignirten 6 Rthl. von Hl. M. Brückmann[6] hat der besagte Verleger unterdessen nicht mach-

[Bl. 128,1v]
en wollen, weil er das Geld erst mit einander nach der gegenwärtigen Messe einzucassiren sich erbetten, und aus der längren Verweilung nichts gemacht, dahero wir auch deßwegen nichts daraus machen wollen. Daß die überschikte Charten und die communication der von Herrn Manfredi überschikten observation, die den von vorigen Jahr erschienenen Cometen angehet, bey E. HochEdlen einen geneigten Ingress gefunden, erfreuet mich ebenfalls sehr, wünsche daß ich noch in mehrern Stücken ferner meine Ergebenheit zeigen möge.[7] Inmittelst dancke schuldig vor die communication der lezten observierten Sonnenfinsternis,[8] die ich nicht allhier, da ich eben wegen einer kleinen Reise nicht zugegen gewesen, habe observiren können. Dancke auch frl. vor die Nachricht von der Declination des Magnets, wie sich solcher bey Ihnen befindet. Aus Petersburg ist man so rar damit daß ich innerhalb 11. bis 12 Jahren nicht mehr als 5. von Mr de l'Isle habe erhalten können, unterdessen verlanget er doch, ich solle Ihme schreiben, was ich mit meiner collection zu thun willens wäre, ungeachtet ich mermahle verlanget habe von Ihme zu erfahren, was er mit seiner collection vorzunehmen willens seye.[9] Ich habe verhoffet vor dieses mahl an Mr. de l'Isle zu schreiben

[Bl. 128,2r]
und, den Brieff miteinschließend, solchen Ew. HochEdlen zur weitern Beförderung zu recommendiren, weilen sich aber vor jezo unvermuthet etliche Frembde bey mir anmelden lassen, um in einer halben Stund bey mir, da sie morgen früh weiter bey der Post zu gehen gedencken, eine Visite abzustatten, also muß ich es vor dieses mahl unterlassen. Unterdessen bitte Ihme, so bald E. HochEdlen nach Petersburg schreiben, unbehend[10], nebst meiner Empfehlung, zu vermelden, daß bis dato sowohl die Wurzelbaurische als Müllerische Erben, die hinterlassene observationes, die zur Ehr Ihres Vatterlandes ganz wohl da liegen, weg zu geben, viel weniger ohne Geld aus den Händen zu lassen, gesonnen wären, da Ihnen in Ansehung der ersten, von dem Bartholini in Coppenhagen, als er die authentische observationes Tychonis den Picardo überlassen,[11] eine kleine, in Ansehung aber des lezten Puncts ein großer Verdruß in Ermangelung der sufficienten Bezahlung zuwachsen mögte. Womit dann schließe und mich zu fernern Affection und guten Andencken empfehle, mit aller Hochachtung beständig verharrend

      Ew. Hochedlen
    Meines Hochgeneigten Gönners

Nürnberg den 3 October
  A. 1738. etwas eilfertig.

ergebenster Diener  
JG Doppelmayr mpp


Fußnoten

  1. Kirchs Brief vom 30. August 1738 ist nicht überliefert.
  2. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie. Der vorliegende Brief wurde auch durch die Endter befördert, wie Doppelmayr im Brief vom März 1739 schreibt: "nachdem der jüngere Hl. Puschner allbereit zu Anfang des Octobers im vergangenen Jahr ein Schreiben an E. HochEdlen abgefertiget, und selbiges den Hhl. Endterischen zum Einschluß übergeben, so habe dann auch, zugleich mit, einige Zeilen beygefüget".
  3. Vgl. hierzu den Brief an Kirch vom 19. Juli 1738.
  4. Coronelli, Vincenzo: Libro dei Globi. Venedig 1693. Neuauflage 1701.
    Der unbekannte Verfasser der Unterrichtenden Briefe von 1768 schrieb dazu S. 81: "Man weiß, wie es dem berühmten Pat. Coronelli gegangen ist, der doch ausser Streit der größte Künstler seiner Zeit in dieser Wissenschaft gewesen ist, […] und doch ist es ihm nicht gelungen, sondern seine, dem äusserlichen Ansehen nach kostbare und prächtige grosse Globi sind noch unzähligen Fehlern unterworfen, wie solches verschiedene Gelehrte gezeiget haben, und es der Augenschein giebet."
  5. Johann Philipp Andreae wohnte in Schwabach.
  6. Vermutlich Franz Ernst Brückmann (1697-1753), der als Arzt in Wolfenbüttel praktizierte und Mitglied der Berliner Akademie war.
    Vgl. Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 655 f. (Verfasser: Rudolph Zaunick).
  7. vgl. hierzu den letzten Brief an Kirch vom 19. Juli 1738.
  8. Am 15. August 1738 fand eine partielle Sonnenfinsternis statt.
  9. vgl. hierzu den letzten Brief an Kirch vom 19. Juli 1738.
  10. unbehend: nicht eilig.
  11. Der französische Astronom und Geodät Jean Picard (1620-1682) reiste 1671 nach Uraniborg, um die Position der Sternwarte Brahes neu zu vermessen. In Kopenhagen wurde er dabei von Erasmus Bartholin (1625-1698) unterstützt, der ihm das Orignal-Manuskript mit den Messungen Brahes zeigte. Picard lieh sich das Manuskript und wollte es in Paris publizieren, wozu es aber nie kam.
    Vgl. Jones, Michael: Tycho Brahe (Tyge Ottensen Brahe) (1546-1601). In: Geographers: Biobibliographical Studies 27 (2008), S. 1-27, hier S. 20.