Briefwechsel Johann Gabriel Doppelmayr


Kurzinformation zum Brief Zum Original
Autor Doppelmayr, Johann Gabriel (1677-1750)
Empfänger Kirch, Christfried (1694-1740)
Ort Nürnberg
Datum 16. Juni 1733
Signatur UB Basel: L Ia 688, Bl. 108,1r-2r
Transkription Hans Gaab, Fürth

HochEdler und Hochgelehrter
Insonders Hochgeehrtester Herr
Hochgeneigter Gönner!

Die beede Schreiben, die Ew. HochEdlen an mich inmittelst abzufertigen beliebet,[1] habe ich, und zwar das erste durch die Hhl. Endterische,[2] den 16 May, das zweyte aber von Herrn Prof. Celsio,[3] den 8 Junii richtig erhalten, und daraus verschiedenes mit Vergnügen ersehen. Die mit bemeldtem Herrn Prof. Celsio vor wenigen Tagen allhier angefangene Freundschaftt ergiebet sich durch die öftre conversation, da wir täglich zusammenkommen, indeme Er nicht weit von meinem Hauß weg logiret ist,[4] je mehr und mehr vergnügter, dabey sich dann dieser Vortheil mit ereignet, daß bey seiner gütigen communication eines und des andern E. HochEdlen die Zeit menagiret[5] wird, die sonsten wegen der zu überschicken versprochenen Methode um die Thermometer auff gleichen Fuß zu richten, angewendet mögte werden, deßwegen die Be

[Bl. 108,1v]
mühung hierinnen erspahret werden kan. Was den neulich von Mr. de l'Isle nach Italien an Herrn Manfredius destinierten und an mich recommendierten Brief anlanget, ist solcher auf die Post gegeben worden, ich werde lang warten müssen bis mir Mr. de l'Isle schreibet, es sind nur (wie es bey den Franzosen gebräuchlich ist) leere Worte und politische Streiche, die er schon ehedeme an mir ausgeübet, damit ich seinen Brieff um desto richtiger befördern mögte.[6] Was die zwey lezte Finsternißen[7] betrifft so hat sich zwar die Sonnen=Finsternis noch deutlich genug, die observation aber davon, wegen des großen Zulauffes der Leuthe, und dabey verursachten Verhinderung nicht gar richtig ergeben; von der Mondsfinsternis ist wegen des trüben Wetters gar nichts zu sehen gewesen, da ich doch zum wenigsten das rare Phaenomenum, daß die Sonne und der Mond über dem Horizont eine kurze Zeit zu stehen kommen, gern observiret hätte. Was E. HochEdlen von einen um die Sonne observierten

[Bl. 108,2r]
Circkel, der gleichen bey Ihnen den 13 April gesehen worden, melden, eben dieses habe auch von unserer Gegend her beyzubringen, daß wir ebenfalls einen um die Mittags=Zeit zu, den 18. Aprilis wahrgenommen, und ist dieser Tag noch weiter remarquable gewesen, indeme ich gegen zwey Uhr Nachmittag mit vielen andern in unserer Stadt ein Erd=Beben verspühret, das man auch um Giessen und zu Maynz, wie uns die Zeitungen berichtet, etwas späther als bey uns, und dabey weit stärcker attendiret, so daß viele Schorsteine in Maynz deßwegen sollen eingefallen seyn,[8] Gott bewahre uns vor weiteren Suiten.[9] Somit mich zu fernerer Affection bestens empfehlend verharre unausgesagt

      Ew. Hochedlen

Meines hochgeehrtesten Herrn      

Nürnberg, den 16 Junii
    A.C. 1733.

ergebenster Diener    
JG Doppelmayr MPP    


Fußnoten

  1. Die beiden Briefe Kirchs sind nicht überliefert.
  2. Die Endter waren eine bekannte Nürnberger Buchhändlerfamilie.
  3. Celsius war 1730 Professor für Astronomie in Uppsala geworden. Zwei Jahre später trat er eine mehrjährige Europareise an, die ihn zunächst nach Berlin zu Christfried Kirch führte. Von Berlin reiste er nach Nürnberg weiter, wo er, wie aus dem vorliegenden Brief hervorgeht, Anfang Juni eintraf.
  4. Entgegen der Behauptung bei Pirson wohnte Celsisus also nicht bei Doppelmayr, sondern logierte nicht weit entfenrt von dessen Wohnhaus. Vgl. Pirson, Julius: Der Nürnberger Arzt und Naturforscher Christoph Jakob Trew (1695-1769). Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 44, 1953, S. 448-576, hier S. 541. Generell durften Auswärtige nicht bei Privatleuten übernachten: "Fremde, zumal wenn sie Geschäfte betrieben, durften ohne ausdrückliche vorherige Genehmigung durch den Rat nicht von Privatpersonen beherbergt werden, sondern mussten in Wirtshäusern logieren - das sollte aber zu dieser Zeit in anderen Städten ähnlich gehandbabt worden sein (vgl. Z.B. StadtAN A 6 Nr. 1230, Mandat vom 5.11.1684: Nur offene Gasthöfe, Garküchen und desgl. Orte dürfen Fremde übernachten lassen, niemand aber Private)." Freundliche Auskunft von Herrn Dr. Bauernfeind vom Stadtarchiv Nürnberg vom 12.09.2016. Vgl. für ein weiteres Beispiel hierfür den Brief von Johann Leonhard Rost an Kirch vom 24. Dezember 1719.
  5. menagieren: sparsam mit etwas umgehen, sich mäßigen.
  6. Auf seiner Reise von Paris nach St. Petersburg hatte Joseph-Nicolas Delisle (1688-1768) Doppelmayr in Nürnberg im Dezember 1725 besucht. Seitdem klagte Doppelmayr wiederholt, dass er von Delisle kaum Briefe bzw. Informationen erhielt, wobei er zunehmend ausfälliger gegen Franzosen im Allgemeinen wurde.
  7. Am 13. Mai 1733 gab es eine partielle Sonnenfinsternis, am 28. Mai 1733 eine partielle Mondfinsternis.
  8. 1733 gab es ein Erdbeben mit Epizentrum im Taunus, das bis nach Nürnberg, Trier und Stuttgart spürbar war. In Mainz gab es Gebäudeschäden.
  9. Suite (frz.): Folge.